Geschichten von Mensch zu Mensch von Sonja Marlin

DIE ÜBERRASCHUNG

„Was machen Sie Weihnachten?“, fragt mich kürzlich Frau Fuchtel. Eigentlich weiß sie, dass ich Weihnachten gar nix mach. Die Kinner wohn’ weit wech, und Weihnachten macht mich nämlich immer auch ‘n büschen traurig. Das kommt aus meine Kindheit. Strengen Vater, der noch von’ Krieg traumatisiert war, keine Geschwister, alle Verwandten inne DDR. Ich erzähl das Frau Fuchtel, und denn sag ich:
„Aber eine ganz tolle Erinnerung hab ich. Ich durfte Akkordeon lern’ und ein Kursus besuchen.“
Da hatte ich ‘n geliehenes Akkordeon und hab mir sehnlich ‘n eigenes gewünscht. Meine Eltern wollten drauf spar’n, dafür sollte ich diesmal nix zu Weihnachten kriegen. Wenn ich inne Tante-Emma-Läden gefragt wurde: „Na was wünschst du dir zu Weihnachten?“, hab ich immer gesagt, ich krieg diesmal nix, meine Eltern spar’n auf ‘n Akkordeon für mich. Und denn ham sie mir alle was geschenkt zun Trost, ‘n Lolli oder so. Ich war aber gar nich traurig, hab mich doch auf das Akkordeon gefreut.
Und denn war Heiligabend. Versehentlich ging ich vorher in das Zimmer mit den Baum, da stand ‘n Akkordeon auf’n Tisch, das aussah wie mein geliehenes. Warum steht das auf’n Tisch, hab ich gedacht. Ich stutzte. Sollte das vielleicht ... Denn hab ich nachgeguckt: Das geliehene stand inne Ecke, wo das immer stand. Also tatsächlich! Ein neues, mein eigenes Akkordeon. Als Bescherung kam, hab ich natürlich so getan, als wenn ich das noch nich wusste.
„Ja, das war schön.“ „Das glaub ich Ihn“, sagt Frau Fuchtel, „ham Sie das Akkordeon denn noch?“ „Ja, hab lange nich mehr auf gespielt, dabei konnt ich das früher so gut, hab sogar ‘n Preis gewonn’.“
„Denn hab ich ‘ne Idee, Frau Seidenhaar, komm’ sie doch zu unsern Adventscafé und spiel’n Sie Weihnachtslieder. – Sie sagen ja gar nix, was is?“ „Ich freu mich“, sag ich, „das is ne richtig schöne Idee. Denn will ich mal gleich anfang’ zu üben, die Noten hab ich auch noch. Tschüß und Danke!“ „Da nich für“, sagt sie. „Ich freu mich auch. Alle wern sich freun, wenn Sie das machen.“
Nu hab ich ne richtig gute Stimmung dank meine ehemalige liebe Nachbarin Frau Fuchtel.