Mit Farbe und Kreativität -
wie "Wandgestalten" unsere Mülltonnen zum Leben erweckt.

Ottensen, ursprünglich ein Arbeiterviertel, hat sich zum lebendigen Zentrum der Kreativität entwickelt. Bei einem Spaziergang kommt man um die Wandflächen, die mit lebendigen Farben und Formen verziert wurden, nicht herum. Wandgemälde reflektieren die künstlerische Freiheit und Vielfalt des Quartiers.

Ganz legal und von der HARABAU engagiert, zauberte der freischaffende Künstler Philipp Kabbe aus den grauen Mülltonnen grüne Hecken, die nicht von einem Gärtner gepflegt werden müssen. So aufgehübscht sind die Müllplätze nun ein echter Hingucker.

Philipp, wie bist Du zu diesem Beruf gekommen?

„Als Sohn einer Grafikerin habe ich die Kreativität womöglich in die Wiege gelegt bekommen.“

Angefangen hat alles in frühester Schulzeit mit selbstentwickelten Comicstrips. Animiert von den US Magazinen mit Bildern von bemalten Skateboardrampen, war ich dann auch mit dem Skateboard und der Sprühdose 1989 in Frankfurt unterwegs. Dies allerdings bei Nacht und Nebel, denn legale Wände zum Sprühen gab es in Frankfurt nicht.

1996 konnte ich während meiner Ausbildung zum Kommunikationsdesigner in Hamburg, meinem neuen Wohnort, die ersten Referenzen im Hamburger Raum erarbeiten.

„War das denn legal?“

„Es gab Freiflächen, z.B. eine Turnhalle in Altona, die wir legal zum Sprühen nutzen durften.“

Was so „nebenher“ begann wurde 2001 zum Beruf.

Seit 23 Jahren arbeitet Philipp Kabbe als freischaffender Künstler. Weit über die Grenzen Hamburgs ist seine Handschrift bekannt. In Metropolen wie zum Beispiel Köln, Frankfurt, Wolfsburg und Düsseldorf, verschönern die Kunstwerke von Philipp die Städte.

„Wie reagieren Passanten, wenn sie Dich beim Arbeiten, also Sprayen sehen?

 „Es kommt ganz darauf an, wo man arbeitet. In Hamburg gibt es selten Probleme, anders in Frankfurt, da sollte man immer jemanden dabei haben der bescheinigt, dass man legal die Wand besprühen darf. Die Hamburger sind tiefenentspannt, in der Regel vom Vermieter informiert, bekomme ich manchmal sogar Kaffee und Kuchen gebracht.

Es gab mal einen Vorfall in Hamburg, da musste die Polizei anrücken, weil ein besorgter Bürger mich beim Sprühen filmte um mich wegen Sachbeschädigung anzuzeigen. Das konnte beim Eintreffen der Polizei schnell geklärt werden und das Video wurde von seinem Handy gelöscht.“

„Leonardo da Vinci war bekannt für seine Liebe zum Detail und seine Neigung, versteckte und anstößige Elemente in seinen Werken zu integrieren. Philipp, hast Du auch versteckte Elemente in Deinen Bildern?“

 „So krass bin ich nicht, was ich allerdings ab und an mache, wenn ich Graffiti übermalen soll, baue ich in meinem Bild die Graffiti wieder mit ein. Für den Auftraggeber nicht erkennbar, aber wenn der Sprüher vorbeikommt, denkt er sich, wieso sind da jetzt Blätter? Auf den zweiten Blick sieht er dann aber die Konturen seines Graffiti.

„Gibt es so eine Art Ehrenkodex unter Graffiti-Malern?“

„Dieser vermeintliche Ehrenkodex in den Köpfen der Menschen ist eine alte Bildzeitungsente. Das muss 1984 gewesen sein, als Sprüher gefragt wurden, ob ihr beauftragtes Bild nicht wieder von einem illegalen Sprüher übersprüht wird. Die Antwort: „Nein, warum sollten wir unsere eigenen Bilder übersprühen.“ Man muss dazu sagen, es gab seinerzeit nur eine Handvoll Sprüher, warum sollten diese ihre eigenen Bilder übersprühen. Die Sache mit dem Ehrenkodex ist also Quatsch. Das sieht man auch an vielen Auftragsarbeiten. Die werden übermalt, weil eine neue Generation Sprüher denkt, wo es durch einen Neuanstrich oder „sauberes“ Graffiti schön ist, steigt die Miete.  Selten sieht man, dass so ein illegales Schriftbild übermalt wird. Untereinander gibt’s dafür schon einmal auf die Mütze.“

„Wo finden wir Deine Bilder in Hamburg?“

„In Altona bin ich schon stark vertreten, die Welle am Lessingtunnel, das Hammerhaihaus im Piependreyerweg, die Bildergeschichte im Pop Art Stil an der Freiwilligen Feuerwehr im Schanzenviertel und immer wieder die grünen Hecken, aber auch in Rahlstedt bin ich zu finden.“

Welcher Rahlstedter ist nicht schon einmal im Rahlstedt Center vom Parkhaus über die Rolltreppe zum Einkaufen in den Supermarkt gefahren. Die Wandbilder rechts und links an der Rolltreppe sind von keinem anderen als Philipp Kabbe in Zusammenarbeit mit seinen Rahlstedter Kollegen. Auch das Gemälde am Haus in der Stein-Hardenberg-Straße von Johann Friedrich August von Esmarch (1823-1908), deutscher Chirurg und Begründer des zivilen Samariterwesens in Deutschland.

 „Kannst Du uns was zur Historie von Graffiti erzählen?“

Graffiti hat eine faszinierende Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht. Schon in prähistorischen Zeiten hinterließen Menschen Handabdrücke und Zeichnungen auf Höhlenwänden. Das erste von Menschen gemachte Kunstwerk war ein Graffiti und sicher hat der Jäger nicht den Eigentümer der Höhle gefragt ;-). Die Künstler und Künstlerinnen griffen seinerzeit allerdings noch nicht zur Sprühdose sondern erzählten mit ihren Bildern Geschichten oder zeigten Lebensumstände auf. Eine der berühmtesten Stätten der Jungsteinzeit ist die Höhle von Lascaux in Frankreich.

In den 60-er / 70-er Jahren gab es dann politische Parolengraffiti, in den 80-ern den Punk-Sponti-Spassgraffiti und was wir heute viel sehen ist das in den späten 60-ern in New York entstandene „Stylewriting“, bei dem es um die individuelle Verformung von Buchstaben geht.

 „Wir sind Geschichten“ sagt Philipp Kabbe. Das New York Stylewriting Graffiti erzählt nur noch „ICH WAR HIER – schaut meinen Style an“.  Ihr könnt das vergleichen mit einem Hund, der sein Quartier markiert und dabei nach Rosen duftet.

„Sag mal, wie bist Du eigentlich auf den Namen „Des Deutschen Hecke“ gekommen, die jetzt u.a. auch unsere Mülltonnen in Ottensen verschönert?“

„Die Generation, die in den 60-er / 70-er Jahren jung war, kennt vielleicht noch die Bedeutung. Es handelte sich um Marihuana selbstangebaut“. Das klingt doch schön, oder? Außerdem fand sich der konservativste stehkragengebügelte deutsche Hausbesitzer in seiner nationalen Kleingartenordnung wieder.

„Hast Du einen Tipp, wie man die Tags, also ungewollte Graffiti, an den Häuserwänden vermeiden kann?“

„Ja, den habe ich und der wird bei Euch in Altona, in der Bergiusstraße, praktiziert. Da gibt es eine ambitionierte Mieterin, die jeden „Tag“ übermalt – tolle Frau.
Ansonsten, Philipp lacht, bucht mich und ich bemale die Hauswand.

Lieber Philipp, wir bedanken uns für das Gespräch und werden Deinen Vorschlag, unsere Häuserwände zu besprühen an den Vorstand weitergeben.

Mehr zu Philipp Kabbe finden Sie auf www.wandgestalten.com 
(Alle Bilder
©  2024 Philipp Kabbe)